Blauracke

Blauracke_Tiefenbach

Seit über 50 Jahren wird ein Blauracken-Schutzprogramm von Freiwilligen durchgeführt. Zuerst waren es nur Zählungen, die aber sehr aufwendig und nur von sehr wenigen gemacht wurden. Hier sind Franz und Otto Samwald aus Fürstenfeld besonders zu erwähnen, die in der Steiermark auch zu den Begründern von BirdLife gehören. Sie beobachteten die Bestände sehr genau und fanden bald wichtige Dinge über das Leben der Blauracken heraus. Sie erkannten auch die Gefährdungsursachen und richteten einen dringenden Appell an die Steirische Landesregierung, einen Schutz der Vögel einzuleiten. Doch lange rührte sich nichts und auch kein Geld für den Schutz der Lebensräume wurde zur Verfügung gestellt. Mit Herbert Ehrlich aus Feldbach fand sich schließlich ein Finanzbeamter, der Flächen im Auftrag des Steirischen Naturschutzbundes ankaufte und erste Vertragsnaturschutzmaßnahmen in den 80er Jahren setzte. Er filmte die attraktiven Vögel und brachte sie einem breiten heimischen Publikum nahe.

Mitte der 90er Jahre kam Bernard Wieser aus Feldbach im Auftrag der Gemeinde Stainz bei Straden unter Bürgermeister Anton Koller nach Stainz bei Straden, einem der letzten verbliebenen Blauracken Brutgebiete mit nur noch wenigen Vögeln. Die „Interessensgemeinschaft Pacht- und Pflege Stainz bei Straden“ wurde gegründet, erste Flächen gepachtet und für die Blauracken bewirtschaftet. Anfangs waren 3 Landwirte Mitglieder dieser IG, doch schon nach 3 Jahren waren es an die 200 Landwirte und Grundbesitzer, die sich an der Aktion beteiligten. Heute sind 500 ha Fläche im Blauracken-Wiesenprogramm gefördert. 2022 waren ca. 250 ha biologische Landwirtschaft im Kernbereich rund um Straden (Wiesen und Ackerflächen) gegeben. Viele schädliche Maßnahmen konnten inzwischen verhindert, oder zumindest abgeschwächt werden, sodass es nur selten und leider nicht zu verhindernde negative Auswirkungen auf die Vögel gegeben hatte.

Mit einem jungen Vogelforscher, Michael Tiefenbach, machten sich der Obmann der IG Bürgermeister Karl Lenz und der Geschäftsführer Bernard Wieser an die Arbeit. Der Wiesenschutz ging voran, Ansitzstangen wurden errichtet, Nistkästen ebenso. Die Blauracken wurden beringt und ihr Verhalten erforscht. Der Schutz vor Fressfeinden war genauso wichtig, wie der Schutz der Nester und Wiesen vor einigen aggressiven Bauern. Durch die Beringung der Vögel wurde erkannt, dass kein genetischer Zuzug von benachbarten Populationen aus Ungarn oder dem adriatischen Bereich vorhanden ist.

2003 wurde aus der IG ein Verein „Lebende Erde im Vulkanland“ oder kurz Verein LEiV gegründet, der für die Umsetzung der NATURA2000 Agenden im erst 2005 verordneten Europaschutzgebiet Nr. 14 „Teile des Südoststeirischen Hügellandes“ sorgt. Im Vorstand finden sich engagierte Naturschützer aus vielen Gemeinden des Vulkanlandes. Der Verein hat heute über 1000 Mitglieder. Seit 2008 gibt es eine Vereinseigene Heumannschaft, die auch in die Artenschutzprojekte eingebunden ist.

Im Jahr 2007 wurde trotz Protest eine 110 KV-Leitung durch das Brutgebiet während der Brut errichtet. 5 Bruten wurden aufgegeben. Nach einem verheerenden, 4 Tage dauernden Unwetter im Jahr 2009 gingen fast alle 50 Jungvögel dieses Jahres verloren. Daraufhin wurde die Fütterung von brütenden Blauracken in Notzeiten eingeführt. Seit dieser Zeit ist allerdings der Bestand auf 20 Vögel zusammengebrochen. Der Grund liegt auch in der engen genetischen Varianz. 2022 betrug der Brutbestand 3 Paare mit 8 Jungvögel und 3 unverpaarten Altvögel.

Nistkastenreinigung mit Blaurackenteam, mit Hilfe eines Laders von Hans Kaufmann aus Krusdorf – seit 15 Jahren ehrenamtlich im Einsatz.

 

Die europäische Artenschutzinitiative berät über den Einsatz von genetischer Auffrischung mit Jungvögel aus benachbarten Brutgebieten ohne Beeinträchtigung der Spender-Population. Wenn das gelingen würde, wären auch andere isolierte Populationen, vor allem die nördlichen gerettet. Die nördlichen Bestände der Blauracke stehen kurz vor dem Aus. Betroffen sind Lettland, Littauen, Weißrussland, Polen und die nördlichen Teile der Ukraine. Über die russischen Bestände ist wenig bekannt. Vom dramatischen Rückgang nicht betroffen sind nur die erdbrütenden Areale rund um das Schwarze Meer und die Mittelmeerbestände, die sich derzeit sogar etwas nach Norden ausdehnen.

Mit Photolokatoren, Satellitenortung und Federanalysen (Isotopen) konnten die Zugwege und die Überwinterungsgebiete der europäischen Populationen erst kürzlich bestimmt werden. Demnach überwintern die meisten europäischen Blauracken eher im Nordwesten und westlichen Zentrums Südafrikas, während die asiatischen Bestände (eine Unterart) im Osten überwintern. Am Zugweg gibt es markante wichtige Punkte in mehreren Staaten Afrikas, z.B.: im Tschad, wo sich die Blauracken oft wochenlang aufhalten und auch während der Überwinterung auf günstige Plätze wandern, wo besonders hohe Insektendichten vorherrschen. Diese Plätze müssen gesichert werden, will man die Blauracken des Nordens erhalten. Dazu fehlt jedoch ein geeignetes Schutznetz in Afrika mit den Aufgaben Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Schutz.

Um unsere Blauracken mit den Adriatischen Beständen wieder zu vereinen, werden sowohl in Montenegro (20 Brutpaare) als auch in Kroatien (100 Brutpaare) und Slowenien (0 Brutpaare) Blaurackenprojekte unterstützt. Die Nistkastenaktionen haben schon Erfolge gebracht. Wichtiger jedoch ist die Überzeugungsarbeit bei den Jägern und der ländlichen Bevölkerung in diesen Gebieten.

Nach dem Jugoslawien-Bürgerkrieg 1991-92 wurden ganze Landstriche durch Deportationen und Flucht menschenleer. Heute noch befinden sich dort Minenfelder. In diesen Landstrichen im Hinterland von Zadar wurden die Blauracken-Nistkästen errichtet und es gab bereits Bruterfolge. Der Bestand wuchs von 0 auf 17 Brutpaaren in nur 5 Jahren. Mittlerweile sind es über 100 Brutpaare nach weiteren 5 Jahren. Die Blauracken brüten in Gebäuden, so wie in Italien und in Pappeln und jetzt auch in den über 50 Nistkästen des Blaurackenvereines LEiV.

In Italien gibt es ca. 50 Initiativen zum Schutz der Blauracke. Der Bestand liegt derzeit bei ca. 1000-1500 Brutpaaren und ist nach jüngsten Erkenntnissen weit höher als noch vor wenigen Jahren angenommen. Es sind dort fast ausschließlich Gebäudebewohner (in Ruinen) fest zu stellen, obwohl Nistkästen angeboten werden. Der Grund liegt in der großen Hitze im Mittelmeerraum, die im Gestein eine nicht so große Rolle spielt, wie in den Nistkästen, wo fast 50 °C erreicht werden kann und die Jungvögel sterben können. Die Verbreitung reicht bis ins nördliche Adriagebiet und in die Po-Ebene.

Im Grenzgebiet von Ungarn und Serbien wurde ebenfalls ein Nistkasten-Projekt gestartet, das mittlerweile einen Bestand von ca. 500 Brutpaaren (Serbien – Otto Szekeres) und 70 Brutpaaren auf der ungarischen Seite hervorgebracht hat. Ein großes Projekt geleitet von Bela Takodi in Ungarn soll die Blauracke in Westungarn wieder heimisch machen. Derzeit leben über 1000 Brutpaare in Ost-Ungarn. 3000 Nistkästen wurden insgesamt neu errichtet und betreut. Auch ein Blauracken-Besucherzentrum im Zwischenstromgebiet von Donau und Theiss im Nationalpark Kiskunsagy südlich von Budapest wurde gebaut. Das Zentrum der europäischen Population liegt aber entlang der Donau zwischen Rumänien und Bulgarien und rund um das Schwarze Meer. Dort profitieren die Blauracken unter anderem auch von den Stromleitungen, die gleichzeitig auch Neststandorte sind, in einigen Gebieten jedoch schlecht isoliert sind und zum Tod von zahlreichen Blauracken führen (Electrocution).

Im Norden sind es die Letten, die noch Blauracken beheimaten. Edmunds Razinskys aus Riga schützt ein Brutgebiet seit über 25 Jahren in einem ehemaligen Truppenübungsgelände. Dort brüten die Blauracken in Schwarzspechthöhlen in Kiefern auf ehemaligen Dünen. Laimonas Sniauksta aus Litauen betreute 2017 zwei Gebiete mit 7 Brutpaaren und einem kleinen Verein von 50 Aktiven. Jaroslaw Krogulec aus Polen ist Koordinator der polnischen Schutzbemühungen, die sich auf 3 Gebiete beschränken. In nur noch einem in der Nähe von Warschau brüten noch Blauracken in Polen. Überall ist die genetische Verarmung und der Lebensraumverlust ein Thema. Auch in Weißrusland gibt es nur noch 2 Blauracken Brutgebiete. Maxim Tarantovic und Ivan Russkikh betreuen diese. Zusammen sind das weniger als 10 Brutpaare in einem ehemaligen Kerngebiet der Blauracken. Das geht vor allem auf den Raubbau westlicher Holzindustrie in diesen Ländern zurück. Schwierig und Großteils unbekannt ist die Situation in der Ukraine. Der Norden ist schon fast leer. Keine Zählungen finden statt. Im Süden ist der Zugang zu den Gebieten durch den Krieg nicht leichter geworden. Tetiana Kuzmenko und Ganna Kuzo berichten von dort.

Am Balkan gibt es neben den erfreulichen Nachrichten aus Montenegro (Jelena Popovic, Borut Stumberger) und Kroatien (Darko Grlica, Sanja Barisic und Vesna Tutis) auch eine erste Brut in Albanien im mediterranen Bereich (Erald Xeka). Italienische Blauracken verstärken immer wieder die Westbalkan-Population, von der wir uns in Zukunft Nachschub für den Österreichischen Raum erhoffen.